Auf einen Spritz

Donnerstag, 4. April 2024

Der letzte Sommer des Leuchtturmwärters

In Venedig gibt es noch zwei bewohnte Leuchttürme, in Murano und auf dem Lido in Alberoni. Aber die Zeit der farista (Leuchtturmwärter) geht langsam zu Ende. Einer von ihnen, Claudio Cavasin, geht nächstes Jahr in den verdienten Ruhestand und wird nicht mehr ersetzt. In Italien mit einer Küstenlänge von 7.600 km sind nicht einmal mehr 80 Leuchtturmwärter im Amt. Sie unterstehen dem Verteidigungsministerium und bewachen die Küste in der Drei-Meilen-Zone. Während sie bisher die Leuchtsignale in Schuss gehalten haben, übernimmt die moderne Technik immer mehr ihrer Aufgaben, so dass sie irgendwann verschwinden werden.

Mittwoch, 6. März 2024

Autofreier Sonntag jetzt auch für Boote?

Auch der Regen der letzten Zeit hat keine Entwarnung gebracht. Die Feinstaubbelastung (pm10) ist in Venedig inzwischen höher als in Mestre. Verschmutzen die Boote die Luft also stärker als die Autos? Diese Frage wird aktuell in Venedig wieder verstärkt diskutiert. Zuletzt gab es im Jahr 2019 vor der Pandemie Fahrverbote in einigen besonders stark belasteten Kanälen. Umweltverbände fordern nun, den autofreien Sonntag, den es auf dem Festland gibt, auch für die Boote in den Kanälen einzuführen. Gleichzeitig warten die Ruderverbände der Lagune sehnsüchtig auf die Blitzgeräte, die in den nächsten Monaten installiert werden sollen, um die Geschwindigkeit des Bootsverkehrs im Wasser zu überwachen.

Freitag, 1. März 2024

EIn gutes neues Jahr

"Bon Cao de Ano!" oder "Buon Capodanno!" wünschen sich die traditionsbewussten Venezianer heute, am 1. März.

Im Kalender der Republik Venedig begann das Jahr mit der legendären Stadtgründung am 25. März 421, die selbstverständlich gleichzusetzen war mit der Erschaffung der Welt. Später setzte man den Jahresbeginn auf den 1. März fest, weil das einfacher zu rechnen war. Nach der Einführung des gregorianischen Kalenders im Jahr 1582 gab es die Zählweise, die wir auch heute kennen. Schaut man sich aber die Namen der Monate an, so erkennt man, dass die venezianische Zählung die ursprüngliche ist. Sie stammt noch aus römischer Zeit. Der September ist danach der siebte Monat (Italienisch sette = sieben), der Oktober der achte Monat (otto = acht) usw. bis zum Dezember (dieci = zehn). Erst mit dem Untergang Venedigs Im Jahr 1797 nach dem Sieg Napoleons begann auch dort das Jahr offiziell mit dem 1. Januar.

Freitag, 2. Februar 2024

Smog-Alarm in Venedig

Der Februar ist klassischerweise der Monat mit der schlechtesten Luftqualität. In diesem Jahr herrscht Alarmstufe rot, nicht nur in Mestre, wo einen das in Anbetracht der industriellen Kulisse nicht weiter verwundert, sondern auch in Venedig, wo man sich das in Anbetracht der idyllischen Lage in der Lagune kaum vorstellen kann. Die Schadstoffbelastung in der Luft ist derzeit so hoch, dass PKWs bis einschließlich Schadstoffklasse 5 zwischen 8.30 und 18.30 Uhr auf dem Festland nicht fahren dürfen. Auf sportliche Aktivitäten im Freien soll verzichtet werden. Die Behörden raten zum Tragen von FFP2-Masken, jedenfalls morgens und abends. Das beliebte Wäscheaufhängen im Freien soll möglichst nicht bei Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang erfolgen, sondern lieber am Nachmittag, wenn die Werte etwas niedriger sind. Angeblich hängt dies mit den privaten Heizungsanlagen zusammen, die morgens und abends hochgefahren und dann tagsüber gedrosselt werden. Die Venezianer warten nun darauf, dass das Wetter schlechter wird und der Regen die Luft wieder reinigt.

Montag, 25. Dezember 2023

Krippenmomente in der Lagune

Wenn man dieser Tage durch Burano geht, trifft man am Ende der Insel schon bald auf die Krippe, die der Gemüsehändler Francesco Orazio ins Wasser gebaut hat. Die 60 Figuren aus Marinesperrholz mit einer Höhe von etwa 1,60 m stecken im Sand der Lagune und werden je nach den Gezeiten vom Wasser umspült. Maria kauert im Wasser, ein Schaf scheint fast unterzugehen, aber der Engel hat es sich auf dem Dach gemütlich gemacht und beobachtet die Szenerie. Ihm kann das viele Wasser nichts anhaben.

Freitag, 15. September 2023

Venedig noch nicht auf der roten Liste der Unesco

Seit über dreißig Jahren hat Venedig Welterbe-Status. Den sahen die Experten der UN-Kulturorganisation jetzt in Gefahr. Durch Massentourismus kombiniert mit dem Schwund der einheimischen Bevölkerung und grundlegenden Defiziten in der Politik drohe ein erheblicher Verlust an historischer Authentizität. Daneben sei Venedig vom Klimawandel bedroht.

Im letzten Moment konnte die Verantwortlichen bei der Sitzung der Unesco-Komitees in Riad überzeugt werden, von der Aufnahme auf die rote Liste abzusehen. Der Gemeinderat der Serenissima hatte nach heftigen Diskussionen, die beinahe zu tätlichen Auseinandersetzungen führten, die Einführung der Eintrittsgebühr von 5 € beschlossen.

Die Besorgnis über die Erhaltung des Welterbes ist damit aber nicht vom Tisch. Venedig bekommt eine Reihe von Hausaufgaben, die in der nächsten Zeit zu erledigen sind. Dazu gehören neben den Maßnahmen zur Eindämmung der Touristenströme auch die endgültige Fertigstellung der Fluttore MOSE. Im nächsten Jahr soll dann die Wirksamkeit dieser Maßnahmen von den Experten der Unesco überprüft werden. Eine endgültige Entscheidung ist für das Jahr 2025 geplant.

Donnerstag, 18. Mai 2023

Ausgedient? Il Moro di Venezia

In Venedig ist er allgegenwärtig, eine traditionelle venezianische Figur, die während des Karnevals auftritt. Die Darstellung des Moro di Venezia symbolisiert die Beziehungen Venedigs als Seemacht zu Nordafrika und dem Nahen Osten. Er wird oft als Figur mit dunkler Hautfarbe, exotischer Kleidung und einem Turban dargestellt. Dieses Modell aus ausgewaschenem Naturholz hat eher die Anmutung von Vergänglichkeit und Verfall. Die Figur, einst prachtvoll und farbenfroh, ist nun verblasst und zeigt Spuren der Zeit. Ein symbolischer Hinweis darauf, dass sich unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von Kultur und Identität im Laufe der Zeit verändert haben. Die Figur erscheint in einem neuen Licht, bricht alte Narrative auf und gibt die Möglichkeit, neue Perspektiven im Umgang mit dem künstlerischen Erbe zu erkunden.

Freitag, 12. Mai 2023

"Falsche" Taxi-Boote in Venedig

Man glaubt gar nicht, welche Maskeraden es in Venedig gibt. Jetzt wird ruchbar, dass die meisten Taxi-Boote gar nicht aus Holz sind, sondern verkleidete Kunststoffboote. Für die Fahrt werden aber Preise verlangt, als seien sie aus Holz in höchster Handwerkskunst erbaut.

Wer mit einem klassischen Holztaxiboot vom Flughafen bis in die Altstadt fahren will, zahlt 250 Euro. Die Fahrt in einem Kunststoffboot kostet stattdessen nur 120-130 Euro. Wer etwas auf sich hält, wartet gerne eine halbe Stunde länger, um ein echtes Holzboot zu ergattern - besonders die Prominenten während der Filmfestspiele.

Daraus hat sich nun ein lukratives Geschäft entwickelt. Zahlreiche Taxibootbesitzer haben in den letzten Jahren ihre Kunststoffboote mit Folie beklebt, die sie aussehen lässt, als seien sie aus Holz gemacht. Es sollen schon um die fünfzig "falsche" Taxiboote sein, während es nur noch dreißig echte Holztaxiboote gibt. Wer genau hinschaut, kann den Fake erkennen. Manchmal blättert die Folie an der Wasserlinie ab. Aber die Qualität der Folien wird immer besser...

Donnerstag, 27. April 2023

Inflation erfasst die Gondelfahrt

Die Inflation macht auch vor der Gondelfahrt keinen Halt. Die Stadt Venedig hat eine saftige Preiserhöhung beschlossen, die ab 1. November 2023 gelten soll. Während in den letzten Jahren die Fahrzeit bei gleichem Preis um zehn Minuten verkürzt wurde, wird jetzt ein Aufschlag von 10 Euro fällig. Damit kostet eine Gondelfahrt am Tag für eine halbe Stunde 90 Euro. Ab 19.00 Uhr gibt es 35 Minuten für 110 Euro.

Sonntag, 23. April 2023

Fake-Hochzeiten im Trend

In Italien boomt ein neuer Trend: Hochzeiten "all'americana", die nur symbolische Wirkung haben, aber keine rechtlichen. Der Bund fürs Leben wird zum Schauspiel. Fingierte Priester oder Bürgermeister mit der obligatorischen Trikolore-Schärpe vollziehen den Bund fürs Leben an suggestiven Orten, an denen sich kein Standesamt befindet. So muss der Bräutigam nicht warten, bis er geschieden ist. Die Witwe muss nicht auf die Pension ihres verstorbenen Mannes verzichten, wenn sie wieder heiratet. Ausländische Hochzeitspaare vermeiden komplizierte Bürokratie. Für die Gäste scheint alles wie immer. In der überwiegenden Zahl der Fälle wissen sie nicht, dass es sich nur um eine Schein-Hochzeit handelt.

Dienstag, 21. März 2023

Hauptstadt der Flüche

Venedig ist ein Sehnsuchtsort, kann aber auch ein Fluch sein. Die Sprach-Plattform Preply hat in einer Studie festgestellt, dass Venedig die italienische Stadt ist, in der am meisten geflucht werde. Neunzehnmal am Tag fluche man in Venedig, während es in Rom nur achtmal sei. Wahrscheinlich sind die logistischen Probleme der Einheimischen die Hauptursache dafür, allen voran das Chaos im Fußgänger- und Schiffsverkehr. Moto ondoso, der durch Schiffe verursachte Wellengang, ist eines der größten Reizthemen in den Kanälen und der Lagune. Da kann es schon einmal sein, dass ein Bootsfahrer oder eine Bootsfahrerin die guten Manieren vergisst und aus einer eleganten, musikalischen Sprache eine vulgäre macht: "Maledizione!"

Die Venezianer selbst halten das Ergebnis der Studie in ihren Kommentaren auf facebook noch für deutlich untertrieben.

Mittwoch, 8. März 2023

Zeitenwende

Da blinzelt man bei einem Eis auf Zattere in die Nachmittagssonne und traut seinen Augen nicht... Jetzt fahren zwar die Kreuzfahrtschiffe nicht mehr durch den Giudecca-Kanal, statt dessen der Truppentransporter "Trenton" der Marines auf Europareise. Drei Tage lang lag das 103 Meter lange und 30 Meter breite Kriegsschiff im verwaisten Kreuzfahrtterminal, ließ sich betanken und die Lebensmittelvorräte auffüllen. Es hat eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Stundenkilometern. Da ist Schluss mit Gondelromantik...

Samstag, 28. Januar 2023

Barche Fantasma - Geisterschiffe in der Lagune

In Venedig hat die Operation "Ghost Boats" (barche fantasma) Fahrt aufgenommen. In der Lagune gibt es Hunderte von verlassenen Kunststoffbooten, die irgendwo auf Grund gelaufen, versunken oder aufgegeben worden sind. Niemand kümmert sich um sie. Sie geben unablässig größere und kleinere Mengen an Plastik- und Metallpartikeln ab. Meist versinkt auch der Tank des Boots mit entsprechenden Folgen für die Umwelt. Darüber hinaus stellen sie gefährliche Hindernisse für den Bootsverkehr dar und verschandeln die Landschaft.

Die Mitglieder der Non Profit Organisation Venice Lagoon Plastic Free haben den Geisterbooten mit Unterstützung der Weinkellerei Maschio den Kampf angesagt. Das erfordert einen enormen Aufwand. Erst müssen die Boote aufgespürt, dann gehoben, ausgepumpt und abgeschleppt werden. Danach werden sie in San Giuliano an Land gebracht, auf LKWs geladen und schließlich in einer speziellen Anlage, die auf Industrie-Recycling spezialisiert ist, auf dem Festland entsorgt. In den letzten Monaten wurden bereits 19 Boote geborgen und zu fünf Tonnen neuem Material verarbeitet.

https://www.plasticfreevenice.org/ghost-boats-project-vlpf-and-cantine-maschio-to-remove-and-recycle-abandoned-boats-in-venice-lagoon

Freitag, 6. Januar 2023

Epifania - Dreikönigstag

Jedes Jahr am Dreikönigstag und am Sonntag nach Himmelfahrt defilieren die Heiligen Drei Könige einmal zu jeder vollen Stunde hinter dem Engel mit der Trompete auf dem Uhrturm über dem Markusplatz. Sie sind schon über 500 Jahre alt und lupfen etwas holprig ihre Kronen als Ehrerbietung vor der Madonna mit dem Kind.

Die Glocke auf dem Uhrturm läutet zwei Minuten vor und zwei Minuten nach der vollen Stunde und wird von einem alten und einem jungen Hirten aus Bronze geschlagen. Das wirkt zwar etwas unpünktlich, hat aber seinen guten Sinn. Das Läuten vor der vollen Stunde repräsentiert die Zeit, die vergangen ist, das Läuten nach der vollen Stunde repräsentiert die Zeit, die kommen wird.

Freitag, 25. November 2022

Miezen in der Krise

Früher einmal gehörten die Katzen zu Venedig wie die Brücken. In unzähligen Kalendern waren sie verewigt. Dann wurden sie auf wundersame Weise immer weniger. Die meisten Venezianer schafften sich Hunde an als treue Begleiter. Erst in der Pandemie nahm auch der Wunsch nach einer Katze wieder zu.

Haustiere kosten aber Geld, das in der Krise offensichtlich nicht mehr so locker sitzt. Futter, Medikamente, Tierarztkosten, all das macht es schwieriger, für das Haustier zu sorgen. Aktuell werden in der Woche vier bis fünf Katzen ausgesetzt, die ihre Heimat in Forte Marghera finden, wo der Verein "I Mici del Forte" (Die Miezen des Forts) sie in seine Obhut nimmt. Aber die Volontäre dort können die Aufgabe kaum noch stemmen. Sie finden Katzen, die mit ihrer Tragetasche, ihrem Körbchen und manchmal auch mit der Gesundheitskarte vor dem Fort abgestellt werden und hoffen dringend auf Menschen, die spenden oder den Katzen ein neues Zuhause geben. Von den Überwachungskameras erhoffen sie sich Aufschluss über die Personen, die imstande sind, eine Katze auszusetzen.

Freitag, 21. Oktober 2022

Festgesetzte Oligarchenyacht von deutschen Fördergeldern mitfinanziert?

"Sailing Yacht A" ist die größte Segelyacht der Welt mit einer Länge von knapp 143 Metern. Im September 2019 ging sie in Venedig vor Anker und stellte alles zuvor Gesehene in den Schatten. Ihre Masten sind beinahe so hoch wie der Campanile. Die Segel sind zusammen größer als ein Fußballfeld. Das für die Decks verwendete Teakholz soll nach DNA-Analysen aus illegalen Plantagen in Myanmar stammen. Man braucht 70 Mann Besatzung, um dem Oligarchen jeden Wunsch zu erfüllen, einschließlich einer Bar unterhalb der Wasserlinie mit 30 cm dickem Glas, durch das er bei einem Drink die Unterwasserwelt betrachten kann. Für den Landgang nutzt der Oligarch mehrere Stealth-Boote, die durch eine Luke an der Backbordseite ins Wasser gelassen werden... Szenen wie aus einem James-Bond-Film.

Die italienische Finanzpolizei hat die Yacht im März 2022 im Hafen von Triest festgesetzt. Ihr Wert wird auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Eigentümer ist der russische Kohle-Milliardär Andrej Melnitschenko, der auf einer EU-Sanktionsliste steht.

Nach Recherchen von t-online sollen in den Bau der Yacht deutsche Steuergelder in Höhe von mehreren Millionen Euro geflossen sein. Wie aus den Veröffentlichungen der EU-Kommission zur Vergabe von Fördermitteln ersichtlich sei, habe die später insolvente Nobiskrug-Werft in Kiel, die die Yacht gemeinsam mit der German Naval Yards gebaut hatte, Zahlungen in Höhe von acht Millionen Euro aus dem Förderprogramm "Innovativer Schiffsbau sichert wettbewerbsfähige Arbeitsplätze" erhalten. Wieviel davon tatsächlich in den Bau der "Sailing Yacht A" gesteckt wurden, ließ sich bisher nicht ermitteln.

Freitag, 7. Oktober 2022

Ausgechillt

Gestern Abend wenige Minuten vor 20.00 Uhr war es mit dem Chillen auf dem Katamaran "No Stress" im Bacino San Marco vorbei. Eigentlich räkeln sich dort die Gäste bei Lounge-Musik gemütlich mit ihrem Prosecco in den Sesseln und lassen sich ein wenig durch die Lagune schippern. Gestern blieb die segelnde Lounge-Bar bei Dunkelheit in dem 18 Meter langen Bugsprietmast des italienischen Segelschulschiffs "Amerigo Vespucci" vor der Riva San Biasio hängen. Wahrscheinlich führte ein falsches Manöver des Katamarans zu dem Zusammenstoß, bei dem sich der 20 Meter hohe Mast des Katamarans in dem Ausleger des Segelschulschiffs verhedderte. Schäden sind wohl nur am Katamaran entstanden.

Montag, 3. Oktober 2022

Ein Krokodil in Venedig

In Venedig gibt es Krokodile. So werden die briccole genannt, die Dalben der Fahrrinne, die sich selbständig machen und unkontrollierbar wie Raubtiere in der Lagune schwimmen. Sie stellen eine große Gefahr für den Bootsverkehr dar.

Zusammenstöße mit ihnen gibt es immer wieder, gerade auch bei schlechter Sicht, wenn sie sich in den Wellen verstecken. Trifft ein Boot mit großer Geschwindigkeit auf ein Krokodil, können schwere Unfälle entstehen. Umso mehr sind die Bootsfahrer bemüht, die frei schwimmen Krokodile aufzuspüren, an die Leine zu legen und in Sicherheit zu bringen. In der einschlägigen Facebook-Gruppe der Freizeitbootfahrer in der Lagune von Venedig, die über 20.000 Mitglieder hat, werden Hinweise gepostet, wenn wieder ein Krokodil unterwegs ist.

Es gibt aber auch Leute, die sich mit den Krokodilen einen Spaß machen und dabei Menschen und Boote in Gefahr bringen. Letzte Woche haben zwei Jungen im noch nicht strafmündigen Alter von 12 und 13 Jahren eine über zwei Meter lange briccola wieder ins Wasser geworfen, die zuvor mühsam geborgen worden war. Danach haben sie amüsiert zugeschaut, wie das Krokodil im Wasser schwimmt. Das alles blieb nicht unbeachtet, weil eine Überwachungskamera am Ufer die "Heldentat" und die diebische Freude darüber aufgezeichnet hat. Da man den Jungs selbst nichts anhaben konnte, wurden die Eltern mit einem Bußgeld von je 250 Euro belegt.

Samstag, 27. August 2022

Die Entzauberung einer Gondelfahrt

Mit der Poesie im Canal Grande war es schon Ende des 19. Jahrhunderts vorbei, als das erste dampfbetriebene Vaporetto mit dem Namen "Regina Margherita" 1881 seinem Liniendienst aufnahm. Wurden zuvor Waren und Menschen nur auf Gondeln und Ruderbooten transportiert, qualmten nun dunkle Rauchschwaden aus dem Schornstein des Wasserbusses und verpesteten die Luft der Serenissima. Es dauerte nicht lange, bis es zum ersten Streik der Gondolieri und Bootsführer kam. Anwohner beschwerten sich über die Schäden, die durch den Wellengang an den Fundamenten ihrer Häuser entstanden.

Vor über 100 Jahren, am 21. Januar 1921 berichtete die Gazzetta di Venezia unter der Überschrift "Adagio in Canal Grande" über eine städtische Anordnung zur Verminderung der Geschwindigkeit der Boote. Die Diskussion hält bis heute unvermindert an. Alle Initiativen wie "Pax in Aqua" (Frieden im Wasser) oder "Onda Zero" (Null Welle) sind bisher gescheitert. Moto ondoso, der Wellenschlag durch die Motorboote, beeinträchtigt den Bootsverkehr jeden Tag und die Fahrt in der Gondel auf dem Canal Grande ist ein zweifelhaftes Vergnügen, das dem Gondoliere alles abverlangt, um nicht im aufgewühlten Wasser unterzugehen. In diesem Sommer ist der Wellengang so extrem, dass sich die Kundschaft nicht mehr ohne weiteres traut, an Bord zu gehen. Oft schaukeln die Gondeln an den Anlegestellen so sehr, dass die Touristen einen Rückzieher machen und auf die lang ersehnte Gondelfahrt verzichten.

Dienstag, 21. Juni 2022

Wenn die Gondeln Trauer tragen

Venedig ist voll von Geheimnissen. Das macht die besondere Faszination dieser Stadt aus. Dazu gehört auch die Frage, was mit den ausrangierten und sterbenden Gondeln passiert. Jedes Jahr werden heute noch um die zehn Gondeln in Venedig gebaut. Jeder Gondelbauer schafft maximal drei im Jahr. Werden die alten Gondeln dann verschrottet, wenn eine neue feierlich zu Wasser gelassen wird?

Früher wurde das Holz, aus dem die Gondeln gemacht sind, in den Öfen der Glasbläser in Murano verbrannt. Heute werden einige restauriert und an Liebhaber im In- und Ausland verkauft, die sich dort den Traum erfüllen, einmal "Amateur"-Gondoliere zu sein. Was mit dem Rest passiert, bleibt ein Geheimnis. Bei den steigenden Gaspreisen, die die Glasfabriken in Murano an ihre finanziellen Grenzen bringen, wünscht sich vielleicht der eine oder andere das morsche Holz der alten Gondeln zum Befeuern der Öfen zurück.

Freitag, 13. Mai 2022

Torcello

Wo einst der berühmteste Entenjäger Quartier nahm, logieren heute die Enten und erfreuen sich bester Gesundheit. Ernest Hemingway zog sich zum Schreiben in die Locanda Cipriani auf Torcello zurück und ging in der Lagune mit dem Holzboot und einer langen Flinte auf Entenjagd. Noch heute sieht man die hölzernen Enten, die als Köder in den nahen Salzwiesen ausgebracht sind und auf Gesellschaft warten. Die Enten auf Torcello lässt das kalt. Sie trinken direkt aus dem Brunnen vor dem legendären Lokal. Heute gibt es jedenfalls mehr Enten als Einwohner auf der Insel.

Dienstag, 10. Mai 2022

Kontraste

Kommunismus und katholische Kirche sind in Italien kein Widerspruch. Der blonde Christus wohnte schon da, als das kommunistische Büro in die Calle Nuova zog. Die Nachbarschaft hat ihn jedoch gewandelt. Er sah zu nordisch aus mit seinem blauen Gewand. Nun hat er ein eher arabisches Äußeres mit einem roten Gewand, was auch besser zu den Parteifarben passt.

Das älteste Mitglied der venezianischen Genossen kannte Che Guevara noch persönlich. Wenn ein Mitglied stirbt, gibt es eine kleine Trauerfeier vor der Wandkapelle. Hammer und Sichel über der Tür stehen in einem eigenartigen Kontrast zu der Pace-Flagge an der Wand...

Samstag, 5. März 2022

Kiew Mule

Während in Italien russische Superyachten beschlagnahmt werden, reagiert Harry's Bar auf ganz eigene Weise. Der Cocktail 'Moscow Mule' ist von der Getränkekarte verschwunden. Jetzt wird der 'Kiev Mule' serviert, mit polnischem Vodka gemixt.

"Alles, was man gegen diesen Krieg tun kann, ist richtig", sagt Arrigo Cipriani, "auch wenn wir nicht wissen, wozu es führt."

Auf die Frage, welchen Cocktail er Putin und Selenskyj gemeinsam servieren würde, antwortet der legendäre Barbesitzer: " Ich würde ihn 'Peace' nennen mit einem besonderen Gin und Vermouth, gerührt und nicht geschüttelt."

Freitag, 29. Oktober 2021

SOS Venezia

Wie wird Venedig sterben? Diese Frage stellen der amtierende und der emeritierte Präsident des Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti in einem eindringlichen Appell an Mario Draghi anlässlich der bevorstehenden Weltklimakonferenz in Glasgow.

Venedig ist nicht Atlantis. Es wird nicht binnen eines Tages und einer Nacht verschwinden, wie es Platon für das mythische Inselreich beschrieben hat, aber es stirbt jeden Tag ein bisschen.

Venedig steht emblematisch für den Klimawandel. An kaum einem anderen Ort auf der Welt lässt sich die klimatische Veränderung so offenkundig ablesen wie in Venedig. Einerseits sinkt die Stadt in ihrem geologischen Fundament geschätzt um 2 mm im Jahr. Andererseits steigt der Wasserspiegel in der Lagune kontinuierlich an. Seit 1897, als der Nullpunkt für die bis heute durchgeführten Messungen festgelegt wurde, waren es mehr als 35 cm.

Besonders anschaulich wird das an den Stufen der Riva del Vin, die unter der Rialtobrücke ins Wasser führen. Wie auf historischen Fotos zu erkennen ist, waren um 1900 noch sechs Stufen ohne Algenbewuchs. Heute ist nur noch die oberste Stufe ohne Algen, die bei jedem acqua alta weiter wachsen.

Für die nächsten 30 Jahre wird der weitere Anstieg des Wasserspiegels auf mindestens 20 bis 25 cm geschätzt. Bis zum Ende des Jahrhunderts können es nach aktuellen Berechnungen zwischen 44 und 76 cm sein. Dies wird zur Herausforderung für das Hochwasserschutzsystem MOSE, das in Dauerbetrieb schalten müsste, wenn es diesem Wasserspiegel überhaupt gewachsen ist.

Freitag, 23. Juli 2021

Venezianische Ruderinnen beklagen Diskriminierung

Seit 1000 Jahren wird in der Lagune von Venedig gerudert. Nicht immer war das eine Domäne der Männer, denn in einer Stadt, die auf Wasser gebaut ist, ruderten selbstverständlich auch die Frauen.

Bei der ersten überlieferten Regatta der Frauen im Jahr 1493 zu Ehren der Herzogin von Mailand im Canal Grande sollen 50 junge Frauen teilgenommen haben. Die historischen Ruderinnen sind in ihren leichten, kurzen Leinenkleidern auf einem Gemälde von Gabriele Bella, das in der Fondazione Querini Stampalia hängt, eindrucksvoll verewigt. Bis zum Untergang der Serenissima am Ende des 18. Jahrhunderts erhielten Männer und Frauen gleiche Siegprämien. Es gab 40 Dukaten für den Sieg, 30 Dukaten für den zweiten Platz, 20 Dukaten für den dritten Platz und 15 Dukaten für den vierten Platz, dazu die auch heute noch gebräuchlichen dreieckigen, roten Wimpel. Die Sieger und Siegerinnen sind darüber hinaus auf Gemälden zu bewundern.

In der Neuzeit nehmen Frauen seit knapp 70 Jahren bei der prestigeträchtigen Regata Storica im Canal Grande teil. Sie ist 8 Kilometer lang und dauert etwa eine halbe Stunde. Wer sie fünfmal hintereinander gewinnt, wird regina del remo oder re del remo, Ruderkönigin oder Ruderkönig. Das heißt aber nicht, dass die Siegprämien bei diesem Rennen gleichmäßig verteilt wären.

In dieser Woche hat die venezianische Stadtregierung einen Antrag abgelehnt, 7.300 Euro in die Hand zu nehmen, um die Prämien bei der wichtigsten Regatta des Jahres anzugleichen. Während der Sieger bei den Männern über 2000 Euro erhält, bekommt die erste Frau nur so viel wie der Vierte bei den Männern, nämlich 1.440 Euro. Fünf Jahre lang hatte man diskutiert innerhalb des Verbandes der Regattaruderer und mit der Stadt. Wenn die Männer 15 % ihrer Prämien abgegeben hätten, wäre ein Gleichklang möglich gewesen. Eine Einigung war jedoch nicht zu erzielen. Begründet wurde das mit fehlenden Haushaltsmitteln. Die Verteilung der Prämien sei nicht Sache der Stadt, sondern des Regattaverbandes. Die Stadt könne nur die Gesamtprämie festlegen. Nach harscher Kritik will der Bürgermeister dies nun ändern.

Früher war Rudern - jedenfalls bei den Männern - ein Profisport. In den 60er Jahren bekam der Sieger der Regata Storica 400.000 Lire, später, als das Casino Sponsor war, sogar noch mehr. Er brauchte nicht zu arbeiten, sondern war in der ganzen Stadt gern gesehener Gast.

Mittwoch, 26. Mai 2021

Warten

Geduld ist gefragt in diesem Zeiten. Wir warten auf wärmeres Wetter, auf das Ende der Pandemie, auf die Rückkehr zur Normalität. In Venedig sieht das Warten anders aus als an anderen Orten der Welt. Es ist pittoresk und fotogen. Wo vertreibt man sich schon die Zeit auf einem Brunnen, der mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hat?

Obwohl sich die Situation im Vergleich zum letzten Jahr kaum geändert hat, machen die Gondolieri gute Miene zum bösen Spiel. Die Resilienz scheint in der DNA der Venezianer zu liegen. Manchmal zählen sie die Fische, die neuerdings im Kanal schwimmen, manchmal geben sie ihnen Namen. An den Wochenenden sind 100.000 Menschen in der Altstadt, aber dennoch machen nur die wenigsten der Tagesgäste eine Gondelfahrt. Dies ist das Steckenpferd der Touristen aus Übersee, die im Moment noch nicht zu sehen sind. So geht das Hoffen und Warten weiter, auf den Juni, auf den Juli...

Donnerstag, 20. Mai 2021

Der Sound von Venedig

Schon lange hatte ich mir vorgenommen, einmal eine Audiodatei aufzunehmen und die typischen Geräusche Venedigs aufzuzeichnen, die man so sehr vermisst, wenn man nicht hier ist. Das Klatschen der Wellen an die Kaimauer, wenn ein Boot durch einen Kanal fährt, das Kreischen der Möwen und das Leuten der Glocken. Ich setzte mich also gemütlich auf einen Campo, zückte mein Aufnahmegerät und lauschte. Als die Glocken zur Mittagsstunde läuteten, klang noch alles wie gewohnt. Danach wurde aber schnell klar: Eigentlich ist das charakteristische Geräusch das Hundegebell. Gefühlt hat jeder venezianische Haushalt inzwischen mindestens einen Hund, wenn nicht sogar zwei. Hundesitter führen auf Zattere gleich mal sechs bis acht Hunde auf einmal aus, auf den Booten sieht man immer öfter Hunde, je größer das Boot, desto größer auch der vierbeinige Begleiter. Während Katzen aus dem Stadtbild fast vollständig verschwunden sind, boomt die Hundehaltung. In Zeiten des Lockdowns, als die Venezianer ihre Häuser nur für dringende Besorgungen verlassen durften, war der Hund das schlagende Argument für einen Spaziergang um die vier Ecken. Manche vermieteten ihre Hunde an die Nachbarn, damit diese sich auch mal die Füße vertreten konnten. Andere schafften sich einen zweiten Hund an, damit auch der Partner spazieren gehen konnte.

Treffen sich zwei Hundebesitzer, lautet die erste Frage: "maschio o femmina?"

Samstag, 8. Mai 2021

Versunkene Boote

Unweit von unserem Liegeplatz sind wieder zwei Boote gesunken. Das kommt hier nicht so selten vor. Die Boot laufen mit Regenwasser voll und sinken samt Motor und Tank. Niemand scheint sich darum zu kümmern.

Die Boote sinken aber auch in der Lagune. Gestern waren wir an einer Rettungsaktion beteiligt, als bei starkem Wind und Wellengang ein traditionelles Ruderboot komplett voll Wasser lief. Ein vorbeifahrendes Motorboot kam zu Hilfe und nahm den durchnässten Ruderer an Bord. Etliche Bootsteile schwammen im Wasser herum. Während ein starkes Gewitter aufzog und wir eigentlich schnell in unseren sichern Hafen wollten, näherten wir uns der Unglücksstelle und halfen, die verlorenen Teile einzusammeln: Schuhe, eine forcola und anderes mehr. Zum Glück ging die Havarie glimpflich aus.

Donnerstag, 29. April 2021

Quarantäne in Italien verlängert

Der italienische Gesundheitsminister hat heute per Dekret die Quarantäne-Regelung für Einreisende aus Deutschland und Österreich bis zum 15. Mai verlängert. Es gilt nach wie vor die Quarantäne als fiduziarische Isolation, von der man sich nach 5 Tagen freitesten kann.

Samstag, 17. April 2021

Langsam Lockerungen in Sicht

Die italienische Regierung hat am Freitag einen Stufenplan zur Rückkehr in die Normalität vorgelegt. Nach heftigen Demonstrationen aus den Reihen der Gastronomie sah sich die Regierung in Rom gezwungen, die geplanten Öffnungsschritte gegen den Willen des Gesundheitsministers nach vorne zu verlegen: Nun wird es schon ab dem 26. April 2021 wieder gelbe Zonen geben. Nach den aktuellen Zahlen gehört das Veneto dazu.

Restaurants und Bars dürfen dann bis zum Abend öffnen, soweit sie Gäste im Außenbereich bewirten. Allerdings hilft das nur etwa der Hälfte der Gastronomiebetriebe. Denn 46 % der Restaurants und Bars haben keinen Außenbereich. Für den Markusplatz gilt die Besonderheit, dass nur der Barbetrieb der Traditionslokale im Freien aufgenommen werden kann. Es dürfen dort aber nach einer lokalen Bestimmung keine warmen Speisen serviert werden, was wiederum das Unverständnis der Gastronomen auf den Plan ruft.

Auch Museen können wieder öffnen. Die Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr bleibt dagegen bestehen. Die Mobilität zwischen den Regionen, die zur gelben Zone gehören, ist möglich. Die Grenzen zu anderen Regionen dürfen nur überschritten werden, wenn der Reisende einen sogenannten "Pass" vorlegt. Was das genau ist, bedarf noch der Klärung im Detail. Es wird ein Nachweis einer überstandenen Covid-Erkrankung, eines Testergebnisses oder der beiden Impfungen sein.

Die Strandsaison darf zum 15. Mai beginnen unter strengen Hygiene-Regeln. Was mit den vor Ostern beschlossenen Quarantäne-Regelungen für Reisende aus dem Ausland wird, ist noch nicht erkennbar. Im Moment gelten sie noch bis Ende April. Die Fortgeltung wird wohl auch von den Zahlen in den Nachbarländern abhängen.

Sonntag, 4. April 2021

Buona Pasqua a tutti!

Zu Ostern gibt es einen kleinen Lichtblick. Während heute und morgen noch strenge Lockdown-Regeln in ganz Italien gelten, hellt sich das Licht ab Dienstag auf. Dann werden Venedig und das Veneto wieder Orange sein. Restaurants und Bars dürfen Speisen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen, Friseure und Bekleidungsgeschäfte können wieder öffnen. Dies gilt auch für die Schulen. Und ganz besonders wichtig für Venedig: die Freizeitsportler dürfen wieder aufs Wasser. Es kann also in der Lagune wieder gerudert und gesegelt werden. Sofern sich die Zahlen nicht wieder verschlechtern, was wir nicht hoffen, wird es bei dieser Regelung bis Ende des Monats bleiben.

Donnerstag, 25. März 2021

VENEZIA 1600

Venedig feiert Geburtstag, einen Geburtstag, der auch eine Wiedergeburt darstellen soll, nach Hochwasser und Pandemie.

Am 25. März 421 zum Schlag der Mittagsglocke ist nach der Überlieferung der Grundstein für die erste Kirche Venedigs, San Giacomo, auf der Insel Rialto gelegt worden. Das besagt eine der vielen Legenden um die Gründung der Lagunenstadt, die auf dem 45. Breitengrad wie abgezirkelt genau in der Mitte zwischen dem Nordpol und dem Äquator liegt. Natürlich wurde Venedig – genau wie Rom – nicht an einem Tag erbaut, schon gar nicht auf Holzpfählen in einer sumpfigen und malariaverseuchten Lagune. Die Festlandsbewohner suchten Schutz vor den eindringenden Westgoten unter Alarich und vor den Hunnen unter Attila. In Wellen flüchteten sie auf die Inseln. Von Altino nach Torcello, von Treviso nach Rialto und Malamocco, von Padua nach Chioggia, von Aquileia nach Grado.

Venedig hat keine Wurzeln, es entstand angeblich auf himmlische Weisung aus dem Wasser. In einer Chronik (cronica extensa) des Dogen Enrico Dandolo (1192-1205) ist von den zwei Venedig die Rede. Der frühe Gründungsmythos basiert auf der Idee, dass trojanische Flüchtlinge aus der Hauptstadt Aquileia eine Predigt des Evangelisten Markus gehört haben. Er sei auf der Durchreise in der Lagune gewesen und habe einem Engel gelauscht, der ihm prophezeit habe, eine Stadt zu errichten, die seinen Körper beheimaten werde. Das zweite Venedig auf den Strandinseln sei nach der Invasion von Attila erbaut worden von einer enormen Menge von Adligen und Bürgern, die dorthin geflohen seien, wo sie Kastelle, Zitadellen und Dörfer gebaut hätten.

Heute werden um 16 Uhr in allen Kirchen der Stadt die Glocken läuten, ein Zeichen der Hoffnung in dieser schwierigen Zeit…

Freitag, 12. März 2021

Alles auf rot

Nur eine Woche war Venedig in der orangen Zone. Am Montag springt die Corona-Ampel schon wieder auf Rot. Dann werden Schulen geschossen und man kann sich nur noch aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen oder in Notfällen bewegen. Ein bisschen Sport mit Maske im Freien in der Nähe des eigenen Zuhause ist noch drin, viel mehr nicht. Keine Besuche von Freunden und Verwandten. Bei jedem Ortswechsel ist eine Erklärung mit sich zu führen, in der anzugeben ist, warum und wohin man sich bewegt: https://www.interno.gov.it/sites/default/files/2020-10/modello_autodichiarazione_editabile_ottobre_2020.pdf

An Ostern wird die Uhr der Pandemie dann in ganz Italien wieder um ein Jahr zurück gedreht. Für die Osterfeiertage (3. - 5. März) gibt es einen nationalen Lockdown, der nur für die Regionen nicht gilt, die der weißen Zone angehören - wie gegenwärtig das glückliche Sardinien.

Freitag, 5. März 2021

Die Ampel leuchtet orange

Sie hat nur 5 Wochen gedauert, die neue Freiheit in der gelben Zone. Ab Montag sind Venedig und das Veneto wieder orange, das heißt Bars und Restaurants dürfen keine Gäste mehr bewirten und Speisen nur noch zum Mitnehmen verkaufen. Die Museen müssen wieder schließen. Ohne wichtigen Grund darf die eigene Gemeinde nicht verlassen werden.

Der Aperol Spritz hat das Orange der Corona-Ampel vorweg genommen. Es ist offenbar zu viel davon getrunken worden in den letzten Wochen. An den Wochenenden ist der Alkoholverkauf über die (Laden-)Theke in der Altstadt nun ab 15 Uhr verboten. Der berühmte Remèr Saverio Pastor hat den jungen Leuten vorgeschlagen, weniger Spritz zu trinken und mehr rudern zu gehen. Dann könnte Venedig genesen und das Leben auf dem Wasser wieder angekurbelt werden: "più voga e meno spritz".

Gelbe Zone

Sonntag, 31. Januar 2021

Venedig und das Veneto sind ab 1. Februar wieder in der gelben Zone, das heißt Restaurants und Bars dürfen tagsüber öffnen und bis 18.00 Uhr Gäste bewirten. Abends können dann noch Speisen zum Mitnehmen verkauft werden, um 22.00 Uhr gilt aber die nächtliche Ausgangssperre. Die Venezianer haben sich umgestellt. Am Abend daheim isst man nun früher, oft schon um 18.30 Uhr statt erst nach 20.00 Uhr. Besondere Anlässe werden mit einem gemeinsamen Mittagessen im Restaurant gefeiert. Das sei sicherer als eine Feier daheim, wo es keine Hygienekonzepte und keine Luftfilteranlagen gibt.

Dennoch werden nicht alle Restaurants und Bars in Venedig öffnen. Die Gastronomen sind wütend, dass der Beginn der Lockerung auf einen Montag fällt und nicht bereits für das Wochenende ermöglicht wurde. Fünfzig Reservierungen habe er für heute gehabt, sagt Arrigo Cipriani, der legendäre Besitzer von Harry's Bar, die nicht einmal zu Kriegszeiten geschlossen hatte. Natürlich werde Harry’s Bar morgen öffnen, auch ohne Ruhetag, aber unter der Woche erwarte er nur wenige Gäste. Man könnte meinen, das Virus lege am Wochenende für das "berühmteste Lokal der Welt" eine Verschnaufpause ein.

Das Caffè Florian, das gerade bei verschlossenen Türen - aber mit einer Sonderbriefmarke - seinen 300. Geburtstag gefeiert hat, wird weiter pausieren. Für die Einheimischen rentiere es sich nicht. Sie zahlen offensichtlich nicht die Preise, die von den Touristen üblicherweise verlangt werden, sondern kommen allenfalls zur Happy Hour.

Samstag, 21. November 2020

Festa della Madonna della Salute

Der 21. November ist einer der höchsten Feiertage in Venedig, die Festa della Madonna della Salute. Normalerweise ein Volksfest, bei dem die Venezianer zu Tausenden aus allen Richtungen, vor allem aber über die eigens zu diesem Zweck installierte Pontonbrücke, die von Santa Maria del Giglio über den Canal Grande führt, mit ihren Votivkerzen zur Salute-Basilika pilgern. Das imposante Bauwerk, das auf Tausenden von Holzpfählen ruht und mit seinem gewaltigen Treppenaufgang geradezu aus dem Wasser zu kommen scheint, wurde 1630 als Gebet und Dank an die Jungfrau Maria für das Ende der Pest in Auftrag gegeben.

„Der Klimawandel ist die neue Pest“, sagte der Patriarch vor einem Jahr in seinem Gottesdienst, eine gute Woche nach der Hochwasserkatastrophe vom 12. November 2019. Heute sind die Bilder aus dem letzten Jahr mit der wogenden Masse der Pilger kaum zu ertragen. Wir haben schmerzlich erfahren, dass es nicht nur den Klimawandel gibt, sondern eine neue Pandemie, ein grassierendes Virus.

Was wird der Patriarch heute zu seiner Gemeinde sagen?

„In diesem kummervollen Jahr 2020 schauen wir zur Madonna della Salute wie es vor vier Jahrhunderten unsere Vorfahren taten. Sie ist die wahre Kapitänin der Meere und sie wird uns nie allein lassen und weiter wie schon seit vier Jahrhunderten über die Stadt Venedig und alle Männer und Frauen guten Willens wachen.“

Donnerstag, 12. November 2020

Luna

Venedig ist aus dem Wasser geboren und wird von dem Mond und den Gezeiten regiert. Vor einem Jahr stieg das Hochwasser in einer Vollmondnacht auf den zweithöchsten Wert, der jemals gemessen wurde, 187 Zentimeter. Ein kleiner Zyklon näherte sich genau in dem Moment der höchsten astronomischen Flut bei gleichzeitigem Absinken des Luftdrucks auf 987 Millibar. Wie mit einem Staubsauger zog diese Formation den starken Wind und das Meer in die Lagune. Seit dieser Nacht ist in Venedig nichts mehr, wie es war.

Samstag, 7. November 2020

Mission Impossible

Das touristische Venedig ist inzwischen fast völlig zum Stillstand gekommen. Die Caffès auf dem Markusplatz haben geschlossen, ebenso die meisten Hotels, vielleicht bis Weihnachten, vielleicht aber auch bis Ostern. Nur das Taxiboot „Amore“ hat Hochkonjunktur. Schon immer von Filmstars bei ihren Aufenthalten in Venedig gebucht, spielt es nun eine der Hauptrollen bei den Dreharbeiten zu Mission Impossible 7, die unter größten Schwierigkeiten in Venedig stattfinden.

Während des abgebrochenen Karnevals saß die Entourage von Tom Cruise im Hotel Gritti zum ersten Mal fest und die Dreharbeiten zu Mission Impossible 7 wurden zur unmöglichen Mission. Zehn Monate später ein neuer Versuch inmitten der zweiten Welle der Pandemie. Kurz darauf werden mehrere Komparsen und Angehörige der Filmtruppe positiv getestet und wieder müssen die Aufnahmen unterbrochen werden. Nach ein paar Tagen geht es in weiter und Tom Cruise springt in seinem Smoking mit glänzend polierten Schuhen immer wieder auf das Dach des Taxiboots „Amore“, das in der Dunkelheit durch den schmalen Kanal fährt.

Der Höhepunkt wird ein opulentes Fest im Dogenpalast sein, der für die Filmaufnahmen mit modernen Lichtinstallationen angestrahlt wird. Unzählige Kerzen flackern in Windlichtern aus Kristall und weisen den Weg durch die byzantinischen Mosaiken.

Venedig bei Flut

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Am schönsten ist die Lagune bei Flut. Dann fühlt sie sich an wie eine prall gefüllte Wanne, randvoll mit frischem Wasser, das in der Sonne türkis glitzert. Die Wellen kräuseln sich leicht und das Wasser sieht so klar aus, dass man nur schwer der Versuchung widerstehen kann, sich auszuziehen und in die Flut hinein zu springen. Die Gezeiten sind die Lebensversicherung der Lagune. Nur durch ihren Wechsel kann sie im Gleichgewicht bleiben und sich immer wieder erneuern. Sechs Stunden steigt das Wasser, sechs Stunden fällt es.

Die Venezianer sehnen sich auf einmal nach der Flut und wünschen sie sich an jedem Tag des herbstlichen aqua alta mindestens in einer Höhe von 1,30 m über dem Referenzpunkt im Giudecca-Kanal. Dann öffnen sich wie durch ein Wunder die Fluttore des MOSE-Projekts, das die Stadt seit dem 3. Oktober 2020 provisorisch vor dem Hochwasser schützt. Ein pharaonisches Projekt, dass viele Jahre und viele Skandale gebraucht hat, um endlich wahr zu werden.

So wie Moses seine Hand über das Meer reckte und die Wasser teilte, trennen nun die Fluttore das Wasser der Lagune von dem Wasser des Meeres. Die über Jahrhunderte, ja mehr als ein Jahrtausend gequälte Stadt kann Ruhe finden. Am Anfang läuten noch die Sirenen, wenn das Hochwasser droht, auch wenn das MOSE-Projekt funktioniert. Denn es ist nur in der experimentellen Phase. Die Bürger sollen sich noch nicht in Sicherheit wiegen. Sie werden in aller Frühe durch den Warnton der Sirenen geweckt, ziehen ihre Gummistiefel an und rüsten sich für das Schlimmste. Aber schon an drei Tagen ist es nicht eingetreten. Es ist trocken geblieben – überall in der Stadt, auch im Markusdom, der sonst am härtesten getroffen wird. Manch einer will die Gummistiefel nun an den Nagel hängen. Aber es ist noch zu früh. Erst ab der endgültigen Fertigstellung des MOSE-Projekts Ende 2021 wird ein großer Teil der Stadt in Sicherheit sein.

Aber es muss eine Grenze geben, die schwer zu akzeptieren ist für die, die dann nicht profitieren werden. In der provisorischen Phase liegt sie bei 1,30 m, später wird sie bei 1,10 m liegen. Der Markusplatz wird aber schon bei einem Pegelstand von 0,80 m überschwemmt. Es wird also Tage geben, wo nicht allen geholfen werden kann, sondern nur einem Teil Venedigs, seiner Gebäude und seiner Bevölkerung. Neue Projekte müssen her, damit auch der Rest in Sicherheit ist. Zunächst soll das Quartier um den Markusdom gesichert werden - mit einer Erneuerung des Kanalsystems und der Erhöhung des Pflasters an der Kaimauer zur Lagune.

Gondeln schaukeln im Stillstand

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Die Gondolieri erbitten inzwischen einen Obulus für das Fotografieren ihrer Gondeln.

„10 Euro!“, sagt Michele zu mir, als ich vor dem Bacino Orseolo die von der Abendsonne beleuchteten Gondelschwerter ablichten will, die malerisch im Wasser schaukeln. In einem Hut, der auf einem kleinen Hocker liegt, sehe ich schon einige Scheine.

„Gehen die Geschäfte so schlecht?“

„Es ist ein Desaster."

„Bei mir läuft es auch nicht gerade glänzend“, sage ich und halte meine Kamera in die Höhe.

„Dann musst du uns fotografieren und nicht die Kollegen da drüben.“ Er zeigt mit dem Finger auf einige Gondolieri, die vor der kleinen Brücke stehen und sich unterhalten.

„Stellt Euch mal in Pose!“, lache ich und dirigiere sie vor das Schild mit der Aufschrift GONDOLA-SERVICE.

„Du musst uns im Photoshop aber nachbearbeiten, damit wir auf eine Größe kommen", sagt Marco.

„Das ist nicht nötig, Du wirst schon sehen“.

Nach einem Blick auf das Display sind Michele und Marco einverstanden mit dem Ergebnis.

Ich stelle mir vor, dass Michele bestimmt schon im Dienst war, als ich jung war, und er mir sicher mehr als einmal eine Gondelfahrt anbieten wollte: „Gondola Miss?“, habe ich immer noch im Ohr.

Heute läuft das Geschäft mit den Gondeln in Amerika beinahe besser als in Venedig. Die Amerikaner reisen zwar nicht mehr nach Europa. Aber es gibt allein in Kalifornien mindestens 120 Gondeln, die aktiv auf verschiedenen Gewässern gefahren werden. Ein Ruderbauer erzählt mir, dass er nun für die Amerikaner arbeitet, weil die venezianischen Gondolieri in der Krise kaum noch Aufträge zu vergeben haben.

Ein Kamel in Venedig

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Obwohl ich schon unzählige Male in Cannaregio und in der Nähe der Kirche Madonna dell'Orto war, ist mir in diesem Sommer zum ersten Mal das Kamel an der Hauswand eines Palazzos aufgefallen, der dort seinen Wassereingang hat. Natürlich wollte ich wissen, was es damit auf sich hat. Ich fragte einen Freund, der praktisch genau gegenüber arbeitet.

"Das ist der berühmte Palazzo Mastelli del Cammello. Er ist nach dem Kamel an der Fassade benannt und wurde gemeinsam mit anderen Gebäuden von der Familie Mastelli erbaut, die im 12. Jahrhundert aus Morea, der Halbinsel Peloponnes, nach Venedig kam. Es ranken sich viele Legenden um den Palast und die Familie. Angeblich soll das Kamel ein Erkennungszeichen für eine Braut gewesen sein, die den Heiratsantrag eines orientalischen Kaufmanns abgelehnt hatte. Für den Fall, dass sie es sich anders überlegen sollte, gab er ihr auf, nach Venedig zu kommen und nach dem Palast mit dem Kamel zu fragen."

"Ist sie gekommen?"

"Nein, davon ist nichts bekannt. Wir wissen nur von den drei Brüdern der Familie Mastelli: Rioba, Sandi und Alfani, die mit Seide und Gewürzen handelten. Weil sie aus Morea kamen, wurden sie "Mori" genannt und nach ihnen der Campo dei Mori ganz in der Nähe. Leider waren die Brüder der Sage nach keine ehrenhaften Geschäftsleute, sondern sie betrogen ihre Kunden nach Strich und Faden mit schlechter Ware zu horrenden Preisen und machten ein Vermögen damit. Eine Frau, die sich mit dem Betrug nicht abfinden wollte, betete zur heiligen Maria Magdalena, eine Verwünschung auszusprechen. Als Rioba einer Kundin wieder einmal seinen üblichen Spruch aufsagte, <<Möge unser Herr mich in Stein verwandeln, wenn das, was ich sage, nicht wahr ist und dies nicht der beste Stoff von Venedig ist!>>, blieb das nicht ohne Folgen. Rioba und seine Brüder verwandelten sich augenblicklich in Stein. Heute sieht man sie als Statuen an der Fassade des Palasts."

"Warum hat die eine Figur eine schwarze Nase?"

"Das soll Rioba selbst sein. Die Nase hat offenbar die Zeiten nicht überdauert und so wurde sie irgendwann aus Eisen ersetzt. Angeblich soll sie denen Glück bringen, die sie berühren."

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